Brixys Spiel mit der Farbe Blau
von Dr. Dietmar Schuth, Museum für die Farbe Blau, Schwetzingen
Die neue Serie von Dietmar Brixy, hier als eindrucksvolle Wandinstallation zu sehen, trägt einen geheimnisvollen Titel. Welche Botschaft mag sich hier in Kisten verbergen? Viele dieser neuen Bilder sind als Holzkisten gebaut und präsentieren sich als plastische, dreidimensional bemalte Wandobjekte. Andere Bilder dieser Serie sind rückwärtig auf kleinere Kisten montiert und ragen aus der Wand heraus, sodass der eigentliche Bildträger, die Holzplatte, zu schweben scheint. Ihre Rückseite ist zusätzlich mit Neonfarben in orange, gelb oder pink gefärbt, die ohne jede künstliche Beleuchtung auf der weißen Wand reflektiert. So entsteht eine Art Aura, ein magisches Leuchten, das jedes Bild geheimnisvoll umfängt und den Schwebezustand fast in ein Fliegen verwandelt.
Wand Installation: Message in a Box, 2020, Öl auf Holz
Noch magischer, ja mythisch, erscheinen auch die Bilder selbst.
Sie werden von der wohl geheimnisvollsten aller Farben, der Farbe Blau, dominiert. Dabei erlaubt der harte Bildträger Holz einen stufenlosen Verlauf der verschiedensten Blautöne zwischen dem hellen Cyan und dem dunklen Ultramarin, zwischen einem taghellen Himmelblau und einem abendlichen Mondscheinblau. Dieses Dunkelblau nähert sich dem nächtlichen Schwarz und erinnert an Johann Wolfgang von Goethe, der das Blau des Himmels generell als ein aufgehelltes Schwarz des Weltraums verstand. Das Hellblau hingegen nähert sich eher der Farbenlehre des Isaak Newton, der Blau als prismatische Brechung des Sonnenlichts verstand, als Teil des Farbenspektrums, das Brixy in seinen Bildern als Paraphrase auf einen Sonnenuntergang oder in Form eines geschlängelten Regenbogens inszeniert.
Message in a Box, 2020, Öl auf Holz, 120 x 160 x 22 cm
Goethe und Newton mochten einander nicht, bekämpften sich sogar.
Während Newton heute als Vater der modernen Farbenlehre gilt, die sich als physikalische Naturwissenschaft versteht, ist Goethes Farbenlehre wissenschaftlich überholt. Er verstand die Farben vielmehr als psychologisches Phänomen und ist deshalb heute vor allem noch bei Künstlern beliebt, die einen emotionalen Zugang zu Farben haben, nichts vom Brechungsindex des Lichts wissen wollen und ihre Farbwerte nicht als Wellenlängen im Nanometerbereich bemessen.
Dietmar Brixy steht also dem guten alten Goethe nahe, indem seine Bilder Stimmungen evozieren, die sich nicht messen lassen. Sie verbinden sich emotional mit elementaren Naturerfahrungen, wie der Blauen Stunde, die in der neuen Serie „Message in a box“ sehr stimmungsvoll lebendig wird. Gemeint ist jene kurze Zeit zwischen Tag und Dämmerung, in der sich das Blau am Himmel intensiviert. Physiker erklären dieses besonders schöne Blau durch zusätzliche Brechungen des untergehenden Sonnenlichts an der Ozonschicht, doch das weiß man erst seit Kurzem und ist nicht allgemein bekannt. Wichtiger ist ein physiologischer Aspekt: Die hellen Farben Rot und Gelb verlieren in der Dämmerung schnell ihre Kraft, weil sie von unserem Auge sehr viel Energie verlangen, Blau aber ist für das Auge ein neurologisch eher schwacher Reiz und damit in der Dämmerung die letzte Buntfarbe, die unser Farbensinn noch erkennen kann.
Message in a Box, 2020, Öl auf Holz, 27 x 36 x 5 cm
Es waren vor allem die Romantiker des 19. Jahrhunderts, die sich in der Blauen Stunde besonders wohlfühlten.
Das Tagwesen Mensch verliert bei abnehmendem Licht seine rational beherrschte Souveränität und öffnet sich den irrationalen Aspekten, den Ängsten, früher auch dem Aberglauben. Schon die Gebrüder Grimm beschrieben das Blau als Farbe der Geister und Dämonen. Heute mag all das vergessen und nur noch in Kinderbüchern lebendig zu sein. Auch sind unser Abendhimmel und die Nacht längst nicht mehr natürlich beleuchtet. Das elektrische Licht hat längst alle Hexen und Gespenster verjagt. Doch in den blauen Bildern von Dietmar Brixy ist ein Rest der alten Magie noch zu spüren.
Vielleicht ist auch dieser Aspekt eine der versteckten Botschaften dieser so atmosphärischen Wandinstallation, die Lichtverschmutzung. So erscheinen die vielen Feigenblätter in den Bildern Dietmar Brixys in einem merkwürdigen Blau, nicht grün, wie von der Sonne beschienen, sondern in einem transparenten, künstlichen Blau kalter Neonlampen. Seit Jahrzehnten kennt man das Feigenblatt in der Bildwelt des Dietmar Brixy als Leitmotiv, doch so befremdlich hat man dieses alte Paradiessymbol noch nie gesehen. Es zerfließt geradezu in Tränen und mag so einen melancholischen Aspekt einbringen, der die Blauen Stunden des Dietmar Brixy ein wenig nachdenklich stimmt.
Essay über "MESSAGE IN A BOX" von Kunsthistorikerin Dr. Christel Heybrock
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